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Veranstalter und ihre Verantwortung im Zeitalter
von Konsumrausch und Rauschkonsum
Ein Interview mit Rush T. by Xtoph M.Kamer (pictuReport!)

Sonntagmorgens 7:30 Uhr, irgendwo in Deutschland. Weit abgelegen von der nächsten Ortschaft liegt inmitten einer grünen Landschaftsidylle ein verstecktes, kleines Tal. Die ersten Sonnenstrahlen dringen über einer Anhöhe hervor.

Laut brüllende und treibende rhythmische Schläge zu psychedelisch bis hypnotischen Klangkompositionen, dringen durch das in Dunkelorange getauchte Morgengrauen. Die Talsohle ist besiedelt mit entspannt kampierenden Menschen, wovon die meisten, je nach körperlicher Verfassung, teilweise ekstatisch tanzen.

Knapp 150 friedliche und glückliche Menschen die sich in einer gemeinsamen Seelenharmonie befinden.

Ein, von einem Schäferhund begleiteter und unbeteiligter älterer Herr erscheint am Horizont. Der auf Frühwanderung befindliche Mensch verweilt minutenlang in einer sichtlich irritierten und erstaunten Beobachtungsposition vor einer ihm fremden und obskuren Szenerie...

Was mag wohl dieser Mensch denken?

Eine Wehrsportgruppe der links-alternativen Szene? Opferungsritual einer Sekte? Haschischspritzende Hippies? Invasion von Außerirdischen? Oder schlimmer noch: Die Russen kommen! Oder ist es doch nur Morgengymnastik einer kampierenden Theologengruppe auf Selbsterfahrung, die einen Sonntagsgottesdienst halten wollen?
Für viele Menschen jedenfalls wirkt es fremdartig und unbekannt, somit gefährlich und vielleicht sogar Warnungswert...

Ich denke, ein jeder von uns hat schon diese oder eine ähnliche Erfahrung mit einem außenstehenden, daher verständlich schaulustigem Gaffer, gemacht. Das Aufeinanderprallen von Welten führt dabei meist zu Unverständnis, gepaart mit Vorurteilen und Ablehnung. Ideologien behindern dabei die Kommunikation zwischen beiden Welten. Und so wird schnell, gerade von der älteren Generation, ein verallgemeinerndes Negativurteil abgegeben. Und was liegt näher als die oft in Politikerpolemik und Presse erwähnte, größte Gefahr für die Zukunft:

Das wachsende Drogenproblem, der ungehemmte Rauschkonsum der Jugend.

Und so hatte doch der ältere Herr erst gestern in den Tagesthemen, kurz vor dem Wort zum Sonntag, einen Bericht von einer sogenannten Loveparade im Fernsehen gesehen. Junge Menschen die mitten im Sommer einen Faschingsumzug zu Bohrmaschienenlärm veranstalten. 1,5 Mio. Besucher, eine Zahl die weit mehr als alle Ortschaften der Umgebung zusammen, Einwohner mit Zuchtgetier addiert ergeben würde.
Und Drogen seien natürlich auch im Spiel gewesen, wie es in einem anderen Bericht hieß.

Alles nur Rauschköpp bei einer Orgienfeier?

Wie auch können Menschen an einem Sonntagmorgen um 7:30 Uhr, die offensichtlich die Nacht nicht geruht haben, so fröhlich und vor allem fit sein!

Die Freiheit der Jugend, so wie wir sie heute kennen, ist im Grunde genommen auch gerade mal erst 10 Jahre alt. Sie ist immer noch unvorstellbar für Menschen, die in Rassen, Glauben und Ideologien getrennt ihre Jugend erlebten und so auch erzogen wurden. Doch bei allen Vorurteilen sollte hier von jedem von uns zugegeben werden, daß dieses Urteil sowie der Bericht im Fernsehen durchaus seine Rechtfertigung besitzt.

Freiheit auf Rausch oder Rausch in Freiheit. Sicherlich ist es ein Freiheitsrausch der hier stattfindet. Doch wie die Freiheit in der Wildnis, so auch bei der Freiheit im Rausch. Es gibt deutliche und unbekannte Gefahren. Und Gefahr bedeutet hier Risiko für Gesundheit und Leben, mal abgesehen von der Gefahr der juristischen Strafbarmachung.

Volle Verantwortung bei solchen Veranstaltungen trägt sicherlich ein jeder selbst, der sich in diese Freiheit begibt. Aber wie sieht es da mit dem Veranstalter aus, er schließlich läßt die Gefahr des Rausches, wenn nicht gerade gezielt so doch ungewollt, durch den Feieranlaß aufkommen. Welche Maßnahmen und Vorkehrungen kann er treffen um seiner Verantwortung gegenüber Gast, und behördlichen Institutionen gerecht zu werden.

Kurz : Für welche Maßnahmen ein Veranstalter verantwortlich sein sollte, welche der Besucher beachten muß und ob auch jeder dieser genügend Beachtung verschafft, wollte ich in einem Interview mit einem der erfahrensten Veranstalter, Musiker, Dj`s sowie Kenner der Szene herausfinden.

Für dieses Interview konnte ich die eine Hälfte des, für musikalische Unwesen bekannten, Veranstalter Duo von Nalanda gewinnen.

Rush T. aus Frankfurt.

Der aus Indien stammende, in Italien aufgewachsene und heute in Frankfurt lebende Performanceveranstalter, Dj und Vater eines 4 Jahre alten Sohnes, sorgt vor allem mit seinem Partner Bigl vorwiegend im Mitteldeutschen Raum für regelmäßige, ökumenische Wehrsportübungen für Anhänger experimenteller und spiritueller Elektrogrooves. Da auch viel im Ausland unterwegs, kennt er auch die Szene hier und außerhalb des Landes. So plant er gerade für Sylvester diesen Jahres ein Millenium Event auf Goa.

Das Interview



Hallo Rush, wir kennen uns, haben auch schon zusammen Gearbeitet, als erstes will ich dich Fragen ob du schon mal einen Zwischenfall in Zusammenhang mit Drogen auf Veranstaltungen erlebt hast und wenn ja, welche folgen hatte er damals?

....Rush T.:

Ich hatte mal ein Erlebnis mit einem jungen Menschen der dem Liebeskummer verfallenen war. Ohne Erfahrung im Umgang mit Drogen, wollte er seinen Frust mit Drogenrausch ersticken. Es endete damit, das er von der Ambulanz abgeholt wurde und im Krankenhaus landete. Sein Zustand damals war schon sehr dramatisch. Aber es endete gottlob glimpflich für ihn.

Wo siehst du die Gefahren auf solchen Events?

....Rush T.:

Unkontrollierter Konsum von unberechenbaren, psychogen Wirkenden Substanzen, gerade labiler und unerfahrenen Menschen ist die größte Gefahr. Sie kann schnell eine Feier zur Tragödie werden lassen und auch unbeteiligte Gefährden.

Erkennst du auch darin deine jeweilige Verantwortung als Veranstalter? Und welche Maßnahmen triffst du um entsprechender Bürde gerecht zu werden?

....Rush T .:

Man sollte als Veranstalter immer den Überblick bewahren. So allerdings das man die Gefahren auch früh und rechtzeitig erkennt. Ein drohender Zwischenfall sollte durch die richtige Maßnahme rechtzeitig vermieden werden und wenn doch, so sollte man zumindest darauf vorbereitet sein die entsprechenden Rettungs- und Ordnungsmaßnahmen treffen zu können.

Was erwartest du vor allem von den Gästen und welche Direktiven setzt du jedem Veranstaltungsteilnehmer als Bedingung?

....Rush T.:

Jeder sollte seinen maximalen Genuß mit minimalem Risiko haben, dabei aber immer auf sich und andere achten und wenn möglich im aufrechten Gang die Veranstaltung verlassen. Überdosierungen sollten von Freunden und anderen rechtzeitig erkannt und dem Veranstalter mitgeteilt werden. Grundsätzlich sollten alle helfen können. Jeder ist gesetzlich, aber auch vor allem moralisch einfach dazu bedingungslos verpflichtet!

Das sollte man bei aller Feierei nie vergessen, sonst wird es richtig Gefährlich. Und zwar für alle Beteiligten.

Siehst du sonst eine ganze Szene gefährdet?

....Rush T. :

Jeder sollte immer auch die Verantwortung gegenüber anderen sich bewußt machen. In einer solchen Gemeinschaft sollten alle aufeinander Aufpassen. Sonst wird schnell eine ganze Szene durch Negativschlagzeilen zugrunde gerichtet. Es gibt schon genügend Schwierigkeiten mit Behörden bei der Planung.

Wie war bisher deine Erfahrung mit der Obrigkeit und ihren Exekutivkräften?

....Rush T .:

Sicher sollte der exzessive Konsum in der Öffentlichkeit und vor Kindern soweit wie möglich untersagt werden. Bisher hatten wir relativ problemlose Erfahrungen. Da jeder der Beteiligten den ärger mit der Polizei am meisten fürchtet, hält sich jeder an die Regeln. Laute Musik sorgt schon eher für das auftauchen der Polizei und ausgesprochene Ermahnungen.

Was sollte sich deiner Meinung nach generell ändern. Das Verhalten, die Gesetze oder die Drogen?

....Rush T .:

Bewußtmachende Aufklärung über Drogen sowie zu deren sicheren Konsum sind notwendig. Vermeiden läßt sich das Problem sowieso nicht. Ein Infostand sollte auf jeder größeren Veranstaltung vorhanden sein.

Wie siehst du die individuelle Freiheit bzw. das nicht vorhandene Recht auf Rausch. Muß die Gesellschaft handeln durch z.B. fairer Verfolgung oder gar härteren Gesetzen und Strafen?

....Rush T .:

Nur Aufklärung und Selbstkontrolle können uns die Zukunft genußvoll erleben lassen. Wir haben immer eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft auch in Zukunft. Doch sollten wir die Aufmerksamkeit auf die Selbstkontrolle richten. Sie muß kontrolliert werden. Nicht Gesetzte und Strafen schützen, sondern jeder sich selbst am besten.

Ich danke dir und hoffe für dich, deine Partys und Gästen sowie der ganzen Szene, berauschende Erlebnisse ohne Gefahren und Zwischenfälle. Hast du noch ein letztes Wort zum Abdruck im Pfarrbrief?

....Rush T .:

Bomshankar Alter !




Ok , wir sehen uns dann beim nächsten Gottesdienst, wenn am Altar Oblaten aufgelegt und unsere Beichten genommen werden, damit sich der Klingelbeutel auch füllen sowie die frohe Botschaft in Dorfkneipen verbreiten kann...

Das Interview führte am 15.7.1999
Xtoph- M.Kamer ( pictuReport!)


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