Think about
An dieser
Stelle möchte ich ein paar Worte zum Thema Drogen
loswerden. Ich habe bereits im Groove- Interview zusammen
mit DJ Hell, Paul von Dyk und Westbam (Groove Nr. 69
April / Mai 2001) einige Statements von mir gegeben, die
der eine oder andere vielleicht nicht richtig verstanden
hat. Von daher ist es mir wichtig, hier noch einmal
genauer auf das Thema einzugehen. Ich bin sehr wohl der
Meinung, dass heute mehr Drogen auf den Partys genommen
werden als früher und ich bin auch der Meinung, dass
unverantwortlicher mit den Drogen umgegangen wird. Ich
bin aber auch der Meinung, dass unsere Drogenpolitik und
die nötige Aufklärung, sofern sie
überhaupt stattfindet, jenseits von dürftig, um
nicht zu sagen, das Allerletzte sind. Ich habe in meinem
Leben schon eine Menge Drogen genommen und behaupte, mich
ganz gut auszukennen, welche Drogen o.k., welche gut und
welche scheiße sind. Ich musste aber auch erst 36
Jahre alt werden und einen Kokainentzug hinter mich
bringen, um wirklich gefestigt genug zu sein, mit dem
Thema differenzierter umgehen zu können. Ich habe
also ein paar Erfahrungen gemacht, die anderen vielleicht
hilfreich sein können, und die ich gerne mit Euch
teilen möchte.
Wir haben in
Deutschland 1,7 Millionen Alkoholiker mit einem
ausgebildeten Abhängigkeitssyndrom, und 2,7
Millionen, die missbräuchlichen Alkoholkonsum
betreiben, also trinken und dann Probleme kriegen, die
durch das Trinken verursacht werden. Dazu kommen 4,9
Millionen mit riskantem Alkoholkonsum, das sind Menschen,
die täglich mehr als 30 Gramm reinen Alkohols zu
sich nehmen. 42.000 Menschen in Deutschland sterben
jährlich an den Folgen von Alkoholismus. Die
Alkoholindustrie gibt 1,2 Milliarden Mark im Jahr
für die Werbung aus und die Steuereinnahmen für
den Staat aus dem Alkoholkonsum belaufen sich auf 8
Milliarden Mark jährlich. Der volkswirtschaftliche
Schaden, der durch den Alkoholmissbrauch entsteht, kostet
die Bundesrepublik Deutschland satte 50-80 Milliarden
Mark im Jahr. 25% aller Arbeitsunfälle sind auf
Alkoholkonsum am Arbeitsplatz zurückzuführen
und ein Alkoholiker feiert zwischen 40 und 60% seiner
Arbeitszeit krank. Die Krankenhauskosten, die durch den
Alkoholmissbrauch anfallen, belaufen sich auf 1,4
Milliarden.
Noch schlimmer
sieht es beim Nikotin aus. Wir sprechen von 17,8
Millionen Rauchern, von denen 6,8 Millionen schwer
nikotinabhängig sind, also mehr als 20 Zigaretten am
Tag rauchen. Von diesen 6,8 Millionen sterben jedes Jahr
in Deutschland 90.000 Menschen, 4400 durch passives
Rauchen und 1500 Säuglinge durch Nikotin in der
Muttermilch. Die Werbeausgaben für Tabak belaufen
sich auf 600 Millionen Mark jährlich und der
Tabakanbau wird von der EU mit 1,8 Milliarden Mark im
Jahr subventioniert. Dagegen werden 36 Millionen Mark von
der EU ausgegeben, um den Nikotinmissbrauch wieder
einzudämmen. Irgendetwas stimmt hier nicht, aber bei
Tabaksteuereinnahmen von 20,7 Milliarden Mark im Jahr
kann man ja großzügig darüber
hinwegsehen.
Und so geht
das munter weiter. Die Fußballer der Bundesliga
tragen lässig ihren kleinen "Keine Macht den Drogen"
-Aufnäher auf dem Trikot und sobald der Schiri zur
Halbzeit pfeift, fliegt das goldene Bierglas auf den
Schirm. " Das Topspiel der Woche wurde Ihnen
präsentiert von... Hasseröder, Krombacher,
Bitburger etc..." you name it. Sorry, aber so geht das
nicht. Das kann ich mir nicht reintun. Ich habe noch nie
von einem Marihuana- Toten gehört, aber schon von
vielen, die wegen Marihuana- Besitzes ins Gefängnis
gegangen sind. Ich habe auch noch nie von jemandem
gehört, der total stoned eine Frau vergewaltigt
haben soll, aber schon oft von Leuten, die es getan
haben, nachdem sie sich mit Bier und Schnaps haben
vollaufen lassen. Die Drogenpolitik stinkt und hängt
um Jahrzehnte mit der Aufklärung hinter her. Es gibt
genügend Modelle, die mehr versprechen, als das
Modell, welches wir jetzt haben. Logisch geht der Kerl
meilenweit für eine Camel Filter, wenn er nichts
mehr zu rauchen hat. Daran sieht man mal, wie
süchtig Nikotin macht. Und logischerweise lässt
sich auch die Gewaltstatistik auf Alkoholmissbrauch
zurückführen, aber darauf näher
einzugehen, würde den Rahmen sprengen. Ebenso
können wir auch nicht näher auf den
Medikamentenmissbrauch eingehen, außer vielleicht,
dass wir 1,4 Millionen Abhängige haben, von denen
66% Frauen sind. Von Glücksspielsucht und
Fernsehsucht wollen wir gar nicht erst anfangen. Was ich
sagen will ist, dass die Deutschen ein Volk von Druffis
sind, denn wenn man diese Zahlen alle zusammen nimmt,
bleiben nur 8% weibliche und 12% männliche
Abstinenzler übrig. Und bei all den Schluckern und
Rauchern handelt es sich hauptsächlich um Erwachsene
über 30. Darüber könnt Ihr jetzt mal ein
wenig nachdenken...
Sobald es
einen Ecstasy - Toten gibt, stürzen sich die Medien
wie die Geier auf diesen Fall und machen ein Riesending
daraus. Ich lese immer über die schlimmen
Jugendlichen und die bösen Raves, bei denen so viele
Drogen genommen werden. Was ist eigentlich mit dem
Oktoberfest oder dem Karneval? Lasst mich bloß in
Ruhe mit dieser Hysterie und kommt mal wieder runter.
Hier stimmt doch die Verhältnismäßigkeit
überhaupt nicht mehr. Die Jugend ist in der Tat eine
kritische Zeit, die von Orientierungslosigkeit und
Experimentierfreudigkeit gekennzeichnet den Übergang
von einer Lebensphase in die nächste darstellt.
Jugendliche sind extrem kreativ, besitzen unglaublich
viel Lebenswillen und einen ausgeprägten Wunsch nach
neuen Erfahrungen und Erlebnissen. Diese Jugendlichen nun
in die Drogenecke schieben und diese Behauptungen mit
einseitigen Statistiken untermauern zu wollen, ist das
klassische, feige und konservative Modell, das hier in
Deutschland schon seit Jahrzehnten praktiziert wird. Die
Rock´n´Roller waren böse und
drogenabhängig, und die Hippies auch und die Punks
sowieso, und nun sind es die Raver.
Versteht mich
bitte nicht falsch. Ich sehe die Probleme und höre
immer wieder von schlimmen Notfällen nach
Drogenkonsum. Was ich vermisse und was ich mir
wünsche ist die Aufklärung, und hier befinde
ich mich in guter Gesellschaft. Wissenschaftler,
Ärzte, Streetworker und Drogenberater haben es
längst erkannt. Gebt das Zeug frei und klärt
die Leute ehrlich auf. Aber die Politik, die Tabak- und
die Alkohollobby spielen da nicht mit und deswegen wird
sich auch nichts ändern. Wir haben Mitte der
Neunziger versucht, eine Ecstasy- Broschüre im Omen
zu verteilen, weil wir unseren Beitrag zur
Aufklärung leisten und den Kids Informationen an die
Hand geben wollten. Letztendlich musste diese
Broschüre viele Male geändert werden und wir
waren einem starken politischen Gegenwind ausgesetzt.
Gute Ansätze wurden im Keim erstickt und weil ich
weiß, dass es sich nicht ändern wird, kann ich
Euch nur meine Erfahrungen weitergeben und sagen, was ich
darüber denke.
Klärt die
Leute auf und sagt ihnen die Wahrheit. Mischt Euch keine
Drogencocktails. Nehmt nicht das falsche Zeug, trinkt
viel Wasser, wenn Ihr Pillen nehmt oder Joints raucht.
Lasst die Finger von den harten Drogen wie Kokain, Crack
oder Heroin. Halluzinogene sind nichts für den Club,
sondern für den Wald und für das Gespräch
mit Eurem Gott, wie immer der auch aussehen mag. Drogen
gehören seit Tausenden von Jahren zum Weltbild der
Völker und Stämme, waren schon immer Teil einer
mystischen Erfahrung und einer Bewusstwerdung. Das uns
das alles verloren gegangen ist, ist nicht die Schuld der
Jugendlichen. Wir leben in einer entmystifizierten
Gesellschaft, und das Rauchen, das ursprünglich Teil
eines Rituals war, ist zur traurig-grotesken Massensucht
verkommen. Was einstmals eine Pfeife war, die im Rahmen
einer Zeremonie herumgereicht wurde, ist zu einem kleinen
ekligen Stengel heruntergekommen, der abgepackt und
besteuert, fermentiert und mit hunderten von
abhängig machenden chemischen Zusatzstoffen
behandelt, beworben und vermarktet an uns abgegeben wird.
Die psychotropen und magischen Pflanzen, wie Peyote,
Mariuhana, St. Pedro, Ayahuasca oder Pilze, sind
dämonisiert, verboten, diskreditiert und mit
Lügen belegt worden, und geblieben sind Heroin,
Kokain, Crack, Ecstasy oder LSD. Ich persönlich
halte die Entwicklung für gefährlich. Auch wenn
ich selber kein Kostverächter bin, so sind mir
natürliche Stoffe doch lieber als chemische. Ecstasy
kann sicherlich eine magische Empfindung auslösen,
aber gemischt mit Alkohol, Nikotin und Kokain macht die
Droge keinen Sinn. Auch muss sich jeder User über
die Langzeitschäden im Klaren sein und muss für
sich die Entscheidung treffen, ob er den Preis zahlen
will. Ich werde mich nicht hinstellen und diese Drogen in
den Himmel jubeln, dafür habe ich schon zu viele
abtörnende Dinge gesehen. Jeder muss selber
entscheiden, wie er damit umgehen will.
Sven
Väth.