[anm.d.red.:
1. Bild, das; -[e]s, -er [mhd. bilde = bild,
gestalt, ahd. bilidi = nachbildung, abbild; gestalt,
gebilde
2. bei szenemag für gewöhnlich ohne
nachbearbeitung in "reinform". keine verwendung von farb-
oder sonstigen filtern, keine manipulation, what you
see is what you get! evtl. zu sehende verformungen
und lichteffekte entstehen ausschließlich auf grund
der gegebenheiten vor ort sowie ggf. unter verwendung
eines konventionellen fotoblitzes.
3. die umrandeten fotos sind mit
groß-formaten hinterlegt. auf wunsch
mailen
wir euch auch gerne die
original-größen.]
sandra
macht sich viel arbeit ihren reviews, da verzeihen wir
gerne, dass wir nicht - wie sonst - tagaktuell sind. hier
teil 2 der kanadischen berichterstattung!
"...
Wir
sind Mutek - MUTEK 2010 - Tag 2
Bei
leider nicht mehr so ganz sommerlichen Temperaturen und
leichtem Nieselregen, aber noch mit den Latino Rhytmen
des Vortages in den Gehoergaengen, machte ich mich auf in
Kampf zum 2. Tag des MUTEK Festivals. Vollster Motivation
durch einen sehr gelungenen Vortag gings nun direkt zum
Monument National und somit zur A/VISIONS 2 - THE CULT OF
LONGER MEMORIES.
Die
Protagonisten an diesem Abend:
FREIDA
ABTAN - THE CARETAKER - NURSE WITH
WOUNDS
Leider
durfte man bei den A/VISIONS eigentlich nicht
fotografieren und von dem her gibt's leider heute keine
Bilder, dafuer mehr Bericht :
Dem
fuer heute anberaumten sehr experimentellen Showcase
fehlte es ein wenig an der Leichtigkit des am Vortag
erlebten. Das ganze war beabsichtigt und erwartet
denjenigen gewidmet, dich sich im Vorfeld mit den
Kuenstlern befassten. Wurde am vorherigen Tag noch mit
dem Publikum gescherzt, so wurde heute zum Teil die
Durchhaltefaehigkeit des ein oder anderen Zuschauers
durch die mehr duesteren Soundgeflechte auf die Probe
gestellt. Manch einer genehmigte sich ein kleines Disko
Nickerchen oder verliess ganz und gar den Saal. Ich habe
meinerseits die ganzen Darbeitungen von Anfang bis Ende
erlebt. Muss allerdings gestehen, dass auch ich Momente
hatte, an denen ich mir nicht sicher war, ob ich noch
genug Energie zur Verfuegung hab, mir weitere duestere
Elemente -musikalisch als auch videografisch -
reinzuziehen. War dann aber dennoch froh, beim jeweiligen
Act bis zum Ende geblieben zu sein, da sich beim
CARETAKER als auch bei NURSE WITH WOUNDS,
die Sets am interessantesten gen Ende
gestalteten.
Weiter
ging es mit FREIDA ABTAN.
Zu
ihrer Person sei gesagt das sie eine
multidisziplinärere Künstlerin, Komponistin und
Wissenschaftlerin ist, mit abeschlossenen Studium der
Informatik, bildender Kunst und Elektroakustik. Sie hat
eine enge Beziehung mit der spaeter auftretenden Band
Nurse With wounds. So lieh sie ihren Gesang den ein oder
anderen Track der Band, trat bereits live mit Ihnen auf
oder kreierte visual shows fuer NWW.
Heute
praesentiert Freida ihr eigenes Projekt mit umwerfend
schoenen Visiuals.
Nach
eigener Aussage konzentriert sich ihre Audio Arbeit auf
die Umwandlung aufgenommener Klaenge mit
unterschiedlichen Schichten digitaler Verarbeitung.
Während der Ursprung eines bestimmten aufgenommenen
Klanges in diesem Prozess verloren gehen kann, werden
indessen ganze Familien von verwandten Klängen
geschaffen, die sie dann in Reihenfolge nach ihren
ästhetischen Eigenschaften zusammensetzt. Hierbei
verwendet Freida auch Samples ihrer eigenen Stimme, die
dann als kurze verzerrte Aussage an Stellen ihres Sets
aufflackern.
Nochmehr
als von ihrer Audio Arbeit, war ich allerdings von den
wunderschoenen fluiden Visuals ueberzeugt. Eine Junge
Frau im weissen Gewand und mit dramatischen
Pfauenfederumhang war die Hauptfigur. Die Bewegungen
dieser Frau wurden im Video so abgewandelt und verzerrt
dargestellt, dass sie perfekt zu Freida's musikalisch
abstrakter Traumlandschaft passten.
Danach
folgte THE CARETAKER. Hinter diesem Namen verbirgt
sich der britische ambient sampler James Leyland Kirby.
Sein Buehnenoutfit erinnerte an einen 70er Jahre Glam
Rocker - goldenes Glitterhemd, Sakko, Sonnenbrille, mega
Lockenmaehne und einer Pulle Whiskey. Er kam auf die
Buehne, setzte sich ohne jeglichen Kommentar an der Seite
nieder zu seinem Laptop und seiner Technik. Den Auftakt
der Show machte ein kurzes geschriebenes Statement,
welches dem Zuschauer eine kurze Info zu dem nun
folgenden 45min. gab. Ehrlich gesagt, hab ich nur den
letzten Satz gelesen in dem Stand, dass der CARETAKER ein
Glas Whiskey auf die Zuschauer erhebt.
Dieser
Showcase war eher im melancholischen, sentimentalen
Bereich angelegt. Das Hauptthema des Videos drehte sich
um Erinnerungsschnipsel eines zum Teil durchgezechten
Roadtrips durch Europa und fuehlte sich an wie der sehr
intime Einblick in das Fotoalbum eines in Gedanken
schwelgenden.
All die
Ueberbleibsel dieser Reise konnte man in verschiedenen
Aufnahmen sehen, welche in der Videopraesentation
zusammen gelayert wurden wie aufflackernde
Schnipselbilder im Unterbewusstsein eines sich
Erinnernden. Da sah man hubesche Maedchengesichter, die
er auf seiner Reise sicherlich kennenlernte und die
freizuegig in die Kamera sprachen. Dann gab es die Bar-/
Stadt- / Land- und Autobahnaufnahmen eines Reisenden.
Alles zusammen praesentierte er mit zur Stimmung
passender Musik, welche er aus samples von alten,
sentimentalen Records zusammengebastelt hatte. Passend
zum Video also. Waehrend dem Grossteil der Performance
tat die Person THE CARETAKER eigentlich nicht viel,
ausser beim Anblick seiner Visuals gelegentlich
gedankenversunken und schwermuetig den Kopf zu schuetteln
und kurzweilig, jedoch sehr selten sich seinem Laptop
zuzuwenden. Wie im Vorspann bereits angekuendigt schien
das wichtigste Accessoires seine Flasche Whiskey zu sein,
deren Grossteil er sicher im Verlauf des Auftritts
leerte. Es fuehlte sich an als wuerde er auf die guten,
alten Zeiten trinken. Wem kann man das veruebeln. Zum
Abschluss riss sich Kirby von seinem Sitz los, entledigte
sich des Jackets, ging zum Buehnenrand und schmetterte
unter dem ein oder anderen Kreischen der Zuschauer in
herrlichster elektronisch abgewandelter Stimmlage Barbara
Streisand's "The Way We Were".
Diese
Performance hinterliess bei den meisten, inklusive
meinereiner, eine durchaus nachdenkliche, schwermuetige
Laune, was nicht negativ auszulegen ist bei dieser
ungeheur intimen und sehr anruehrenden Darbietung.
BRAVO!
Als
wenn's nicht schon genug zu verdauen gaebe folgten nun
NURSE WITH WOUND.
Diese
aus Grossbritannien stammende und von Steven Stapleton im
Jahr 1979 gegruendete Band, wurde im Laufe der Jahre
schon einigen Musikgenres zugeschrieben: avant-garde,
industrial, noise, dark ambient und drone. Bei aktuellen
Aufführungen erforschen Stapleton und Besatzung eher
eine Freiform experimenteller Verschmelzung von
Elektronik, Tonband und Effekten und erstellen somit eine
zutiefst beunruhigende Ambient Atmosphaere. Wie beim
Vorgaenger stand bei NWW die Visuals fuer den Zuschauer
im Vordergrund. Die 4-koepfige Band im Dunklen auf der
Buehne, kaum wahrnehmbar.
Auf der
riesigen Leinwand im Hintergrund wurden zum Teil
verstoerende Videos gezeigt.
Szenario:
Altmodisches Zimmer - eine Gruppe gleichgueltig
umhersitzender Leute - blutverschmierte Waende - aus den
Waenden quellendes Blut - von der Decke fallende
Eingeweide -
Die
Leute sassen teilnahmslos da und wurden mehr und mehr mit
Blut verschmiert und wurden somit zum Teil ihrer
Umgebung.
- CUT -
Ein brennendes Haus, ein Bett mit einem Maedchen, ein
gesichtsloser Mann der dieses Bett in Flammen setzte -
CUT - auf freiem Feld in slow motion vom Himmel fallende
Matratzen.
Ziemlich
ekelhaft mag der eine sagen, defintiv nix fuer Leute mit
schwachen Magen. Dennoch konnten sich manche mit gutem
Humor nicht helfen um ein leichtes Lachen zu
unterdruecken. Das Filmmaterial, so eklig es auch war, so
fesselnd war es gleichzeitig. Eine Bandbreite von
verwirrenden, fesselnden, ekligen, schockierenden und
beruhigenden Bildern. Das Video wurde aber weniger
intensiv, als die Band immer dissonanter wurde, mit allen
Arten von Gitarre, Bass und Effekten. Griff am Ende zum
Mikrofon und performte eine "Rock and Roll Session". Es
war ein interessantes, eindringliches Hin und Her der
Sinne, so dass man froh war, als alles schliesslich zum
Ende kam.
Wie
anfangs erwaehnt, kein Abend der leichten Kost, dennoch
mehr oder minder verdaulich, konzeptionell packend,
schockierend und rueckwirkend betrachtet ein unerwartete
Begnung der "anderen Art".
Mir
war's ein wenig dumpf im Kopf, schwer ums Herz und ich
freute mich nun auf nen Drink und die leichtere tanzbare
Nocturne 2.
Rueber
ging's ins Metropolis, dass sich etwa 5 Minuten zu Fuss
vom Monument National befindet.
Dort
fand die NOCTURNE 2 - RADICAL CONNECTORS statt. Leider
hatte ich dort den opening act des Abends, HRDVSION,
knapp verpasst .
Ab 23
Uhr uebernahm dort der Brite JON HOPKINS den main
room und sollte dem Abend Leben einhauchen. Mit der
ueppigen und verführerisch duesteren Musik des
Londoners begann fuer mich somit der Abend.
JON
HOPKINS ist Komponist und Pianist, der sich selbst die
Tricks der zeitgenössischen Studioarbeit lehrte. Im
Jahr 2001 veröffentlichte er sein erstes Album,
"Opalescent", und hat seitdem zwei weitere Alben
veröffentlicht. Sein letztes Werk mit dem Titel
"Inside" erschien 2008. Das Album erhöhte Hopkins
Status unter Kennern der elektronischen Musik und brachte
ihm schließlich einen sicheren Platz beim
großen Indie-Label Domino Records ein. Jon's
Musikstil wird als eine Mischung der abenteuerlichen
Musik Brian Eno's beschrieben und dunklen,
gedämpften Rhythmen die an Boards of Canada
erinnern.
Bei
MUTEK stellte Jon mit seinem Set sein Genie und Koennen
unter Beweis. Sein Set war von absolut ueberzeugender
Art, mit massiven opulenten und komplexen
Soundstrukturen, tiefen ergreifenden Basswellen die auf
melodisch frikkelige zarte Zwischenlinien trafen.
Umwerfend und hynotisiernd gleichzeitig. Ein
unglaubliches Meisterwerk eines talentierten Virtuosen,
dass fuer mich ueberraschend daher kam. Hatte ich mich am
meisten auf den Folgeact MOUSE ON MARS gefreut, kann ich
abschliessend nur sagen, dass JON HOPKINS Auftritt eines
der grossen Highlights dieses Festivals bleiben sollte
und wer die Gelegenheit hat in live zu sehen sollte diese
nicht verpassen ;)
Wie
schon erwaehnt, auf dem Programm standen nun die
Altveteranen MOUSE ON MARS. Zu dem Duo gibt es
viel zu viel zu erzaehlen, als dass ich je versuchen
wuerde, die 20 Jahre Musikgeschichte von MOM hier
zusammenzufassen. Wem der Name dennoch nicht gelaeufig
ist, dem sei als kurzes Intro der MUTEK Kuenstlertext
empfohlen:
"Jan
St. Werner und Andi Toma von Mouse On Mars haben in den
letzten zwei Jahrzehnten die Entwicklung von einigen der
innovativsten und betörendensten Kompositionen
elektronischer Musik ausgegeben, und die Welten
elektronischer und Rockmusik verbunden. Aus
weitgestreuten Einflüssen von Kraftwerk, Brian Eno
und Lee "Scratch" Perry, zeigte das Duo in seinen
frühen Alben eine Multi-texturierte Fusion von
Krautrock und cool post-techno Verfeinerung, die von
Kritikern als die Zukunft der abenteuerlichen Home Musik
gefeiert wurde . Zu Fans von Mouse On Mars Fans zaehlen
einflussreiche Gruppen wie Stereolab und Tortoise, die
ähnliche Elemente verwenden, um britischen und
US-amerikanischen Rock zu dekonstruieren. Dennoch haben
sich Mouse On Mars im Laufe ihrer zehn Alben
natürlich drastisch und mit jedem ihrer
musikalischenAusfluege weiter verändert und sind
weiterhin undefinierbar. In letzter Zeit haben sie wieder
rhythmisches Hoheitsgebiet betreten, und ihre
Präsentation bei MUTEK 2010 soll als einer der
ersten Highlights der jüngsten Neuerfindung des Duos
dienen. Gestaerkt nach einer langen Pause, behauptet das
Duo "ihren aufregendsten neuen Stoff seit Jahren -
möglicherweise Jahrzehnte" im Gepaeck zu haben. In
den letzten Jahren habe das spielen zumeist in Clubs, die
kreativen Säfte wieder fließen lassen wie
heiße Lava. "
Naja,
und ein wenig war's dann leider auch wie heisse Lava.
Zaehfluessig, nicht explosiv und eher ein wenig
desillusionierend. Ich, und mit mir viele andere, hatten
sich wirklich sehr auf die beiden gefreut. Schon lange
nicht mehr gesehen und gehoert, und nach der grossen
Ankuendigung hatte sich eine bestimmte Erwartungshaltung
aufgebaut, der Mouse on Mars leider nicht Stand halten
konnte.
Ich
haette mir MOUSE ON MARS als Hauptact des Abends
innovativer und ueberraschend interessanter gewuenscht.
Leider konnten sie nicht an ehemalige Shows anknuepfen
und bei weitem nicht an den cutting-edge Sound ihres
Vorgaengers JON HOPKINS.
Dennoch
konnte das Duo das Publikum mit einer Auswahl ihrer
Lieblingsmusik und ein paar neuen Tracks aus ihrem
kommenden Album erobern. Und die Crowd tanzte mit dem
Beat zu diesem Sound von einen der wegweisensten Gruppen
der electronica.
Dem
anschliessend folgte NATHAN FAKE, welcher sich in
den letzten Jahren einige Male in Montreal blicken lies.
Der aus Norfolk UK stammende Produzent, Live-Act und
Border Community Familienmitglied ist hierzulande also
keine Neuvorstellung mehr. Euch mag Nathan mit seinem
Monster Track "The Sky is pink" bekannt sein, den man
schon zu den modernen Klassikern der elektronischen Musik
zaehlen koennte.
Nathan
ueberzeugte durch sein solides treibendes Live Set, dass
aus härteren, geerdeten Klaengen bestand und dennoch
schoen verspielt, dichte Nuancen und zeitweise
unkonventionellen Rhythmen aufzeigte. Da ich Nathan schon
einige Male gehoert und gesehen hatte, zog mich meine
Neugier doch ab und zu in Richtung Savoy, dem kleineren
aber nicht minder feinerem Raum.
Dort
waren fuer den Abend BOWLY, CHRIS HRENO
und MOSSA and friends am werkeln.
Bowly
hatte ich leider verpasst, da mich zu dieser Zeit Jon
Hopkins im main room fesselte. Bei einem kurzem Abstecher
in Savoy waehrend des MOM Sets konnte ich mich jedoch von
CHRIS HRENO's Set ueberzeugen. Der Gute hatte sich als
"Ueberraschungsgast" THE MOLE ans Deck gezogen.
Die beiden kennen sich schon seit einiger Zeit, verbindet
sie doch ein aehnlicher "Werdegang". Beide haben vor ein
paar Jahren in Montreal gelebt und sich dann zu neuen
Ufern nach Europe (Berlin) aufgemacht.
Man
sieht also der Kulturaustausch Deutschland <->
Montreal funktioniert hervorragend.
Desweitern
war THE MOLE als Co-Produzent von Chris's 2001er EP
taetig. Man sah den beiden ihre Vertrautheit und den
Spass den sie heute hatten, an. Das Publikum im nicht
ganz gefuellten Savoy bedankte sich und dancte zu CHRIS's
Beats.
Ab
00:45 uebernahm Complot label boss MOSSA. Auch dieser
hatte Verstaerkung mitgebracht im Sinne von Label Partner
Dafluke and Qze. Die 3 jammten "the nigth away" und
brachten den Abend im Savoy zum Ausklang.
Fazit:
Gerade erst Tag 2 - schon viel erlebt und gesehen - schon
einige Ueberraschungen erlebt. Also, erstmal ab ins Bett
denn es stehen noch 3 intensive Tage bevor.
Bonne
nuit et à demain!
P.S.:
Would like to say thanks to my buddy KOKI from a Japanese
webzine, who helped out with some pixx while my camera
was not working!
..."