[anm.d.red.:
1. Bild, das; -[e]s, -er [mhd. bilde = bild,
gestalt, ahd. bilidi = nachbildung, abbild; gestalt,
gebilde
2. bei szenemag für gewöhnlich ohne
nachbearbeitung in "reinform". keine verwendung von farb-
oder sonstigen filtern, keine manipulation, what you
see is what you get! evtl. zu sehende verformungen
und lichteffekte entstehen ausschließlich auf grund
der gegebenheiten vor ort sowie ggf. unter verwendung
eines konventionellen fotoblitzes.
3. die umrandeten fotos sind mit
groß-formaten hinterlegt. auf wunsch
mailen
wir euch auch gerne die
original-größen.]
some
impressions of the last years picked from our
archive
dieses
jahr vertritt der christian die
szenemag-präsenz in olganitz, wofür wir ihm
sehr dankbar sind... wehmütig blicken wir auf die
bilder & den text von ihm oder z.b. auch die
beiträge von andré fiedler (welche ihr
in ihrer gesamtheit auf flickr
bestaunen könnt). in diesem sinne, viel
spass...
"...
Liebe
Techno-Knechtschaft (nicht zu wörtlich nehmen!!),
ich habe mal wieder einen deftigen Grund ordentlich Druck
abzulassen. Ja, es wird mal wieder Zeit für einen
ausgedehnten Bericht! Ihr wurdet bereits von mir
über mein enormes Mitteilungsbedürfnis in
Kenntnis gesetzt, auch seid ihr euch bewusst um die
Tatsache, dass wenn eine Sache einfach zu schön
meine Seele/Geist berieselt, mein
techno-durchgeschossenes Gehirn mit "Error - Error -
Error" - Alarmsignalen ins Straucheln
gerät.
Ich
muss nun allerhand loswerden, was gar nicht so einfach
ist! Also, um welche "Sache" geht's denn jetzt
überhaupt? Liebe Freunde "elektronischer
Geisteswissenschaft" (
es dreht sich im Grunde
genommen um mehr als nur Musik!!!), vergangenes
Wochenende fand am "Arsch der Welt" - der Ausdruck ist in
diesem Fall alles andere als negativ zu verstehen - das
vermeintlich schönste Festival der Republik statt,
das "Nachtdigital" in Olganitz (Sachsen). Nein, nicht die
12 hat geschlagen, sondern die 13.
Wenn
man so wie ich ab und an in deutschen Szene-Gefilden sein
Unwesen treibt, kann es durchaus öfters vorkommen,
dass dieser Name "Nachtdigital" fällt. Z.B. wenn man
einen wirklich wahren, erfahrenen Szene-Protagonisten
nach den besten Festivals in Deutschland frägt. Oder
es reicht auch alljährlich die 4. Quartals-Ausgabe
der Groove heranzuziehen und mit dem Finger den
Top10-Festival-Poll abzufahren. Hinten angefangen, kann
man weit nach oben/vorne schauen, bis denn dann das
angesprochene Event auftaucht.
Selbstverständlich
setzt sich nach und nach unweigerlich ein Bild im Kopf
fest, und mit so manchen Vorahnungen und Erwartungen geht
man nun auf Reisen. Wie in diesem Fall eine Reise nach
Olganitz, ein wahrliches "Kuh-Kaff", auf halber Luftlinie
zwischen Dresden und Leipzig gelegen. Wenn ihr
ältere Reporte von Nachtdigital-Events auf unserer
Page durchgelesen habt (review2003,
review2004),
könnt ihr meine Gedankenwelt im Vorfeld zum Festival
erahnen:
Das
Nachtdigital Event als Gegenpol zu den mächtigen
Profit-Maschinerien mit Künstler- und
Besucher-Massenabfertigung, das Nachtdigital als ein Ort
der Begegnung, "great people" - wie das Arm-Bändchen
proglamiert, das Nachtdigital als Möglichkeit der
Bewusstseinserweiterung, allen voran der Musik, der
kollektiven Extase-Findung, von "great Athmosphere"
Bestätigen sich nun aus meinem Blickfeld diese
Dinge?
Meinen
Erfahrungsbericht soll anfänglich eher subjektiv
ausgelegt sein, also meine persönlichen Empfindungen
ausdrücken, welche sich im Automatismus ergeben,
wenn man wie ich als Neuling zum ND stößt.
Objektiver betrachtet dürfen manche Dinge nicht
unerwähnt bleiben, diese sollen am Ende meines
Textes in eurem "Brainstorming" - JAAAA, ICH MÖCHTE
EUCH ZUM DENKEN ANREGEN - einfließen.
Freitag,
30.07.2010. Die athmosphärischen, treibenden
Flächen und Beats sind ins Rollen gekommen, wir
fahren in gudster Laune gen Norden, in Begleitung der
aktuellsten Reihe der "Balance-Mix-CD" von Agoria. Die
Fahrt gestaltete sich recht sorgenfrei, und gegen 11 Uhr
erreichten wir schließlich das Bungalow-Dorf in
Olganitz. Wir hatten schon Befürchtungen die letzten
Kilometer müssten auf Schotterpisten und Feldwegen
bewältigt werden, so abwegiger und
zivilisations-ferner fuhr man über
Hügellandschaften ins Hinterland.
Angekommen,
leitete man uns direkt über einen spärlich
präparierten, staubtrockenen Acker zu unserem
Abstellplatz. Zugegebenermaßen hätte man diese
trostlose, mühsam begehbare Ackerfläche etwas
"besucherfreundlicher" aufpeppen können. Nichts
desto trotz, es war schließlich nicht unsere
Tanzfläche für die nächsten 2 Tage
Das
Bungalow-Areal betreten, fand man sich wieder in einer
mit aufwändigen Lichtinstallationen bespickten
Naturkulisse, welche hauptsächlich gebildet wird von
einem angrenzenden Waldrand, einem vorgelagerten Badesee
und der Festivalwiese an sich. Anfangs viel, wie so oft
als Neuankömling, die Orientierung nicht so leicht,
jedoch ist das Gelände doch recht überschaubar.
Ich empfehle die hoch-detailierte, bis ins kleinste
Detail ausgefeile Gelände-Karte anzuschaun:
*click*
Obwohl
der Sound von der Mainstage einen schon recht freundlich
begrüßte, zog es uns weiter in die "Second
Stage" - einem größeren Zelt. Die Uhr
vermeldet 01:00, Zeit für den Texaner Jeff
McIlwain's alias
"Lusine", die Regler in die Hand zu
nehmen. Der ravige, aufregende Sound mit einer Note
Dubstep schaffte schonmal eine angemessene Einstimmung
auf den folgenden Act: Paul Rose, das "Hotflush" -
Mastermind aus London, übernahm mit seinem Alter Ego
"Scuba" die Plattenteller, bzw. muss
man heutzutage sagen: "das MacBook".
An
dieser Stelle sei erwähnt: Die Mix-Compi
"Sub:stance", sein Beitrag zur gleichnamigen, monatlich
stattfindenden Eventreihe im Berliner Club Berghain
(welche einen bedeutenden Anteil zur Etablierung des
neuen Musikstils Dubstep/"Dubtech" in Deutschland
leistet), rangiert bis dato in meinem Best of Compilation
- Poll 2010 auf Rang 2! Seine Musik fusioniert
insbesondere den Berliner Rave-Sound mit dem Bristoler
Dubsteb
wenn man es so nennen mag.
Gebannt
wartete ich auf sein Auftreten, das Zelt war gut
gefüllt. Letztendlich bot er der Masse einen
funktionalen Mix aus den großen Farbtöpfen
"Techno" und "Dubstep", welche schon merklich das
Publikum forderte. Das Set war mehr oder weniger tanzbar,
die dubbigeren Parts entnahmen dem Set die
Geschwindigeit, bereiteten aber zugleich umso mehr auf
größere Überraschungen vor. z.B. weitet
sich aus einer 2-Step-Sequenz ein Loop heraus und mutiert
zu einem Rave-Monster, was die ruhigeren Parts schnell
wieder in Vergessenheit geraten lässt. Eine sehr
intelligente Musik!
Ich
gönne mir einen kleinen Zeitraffer in meinem
Schreiben, sonst werde ich vor SonneMondSterne nicht mehr
fertig. *g* "ND loves Border Community" - Szenemag too!
Die Rush-hour der Border Community - Bande ist
angebrochen. "Rushhour" kann man durchaus wörtlich
verstehen, denn so stark wie ein Nathan
Fake ("The Sky was Pink") Rotieren kam, hab
ich schon lange keinen mehr gesehn. Da kann auch kein
Matthias Kaden mithalten!
Wie
so viele Acts präsentierte sich dieser Künstler
als "Live Act", er spielte also ausschließlich
eigene Produktionen. Der Sound war gewaltig! Nicht
unverständlich, sein ständiges Wippen hinter
den Controllern! Die Musik ist vergleichbar mit der von
James Holden, zwar nicht so breitgefächert in
Subgenres und ganz und gar anderen Musikstilen, aber
dennoch mit der nötigen Portion "Border Community" -
Melodie. Sein Set bot auch des öfteren
Richtungswechsel und demnach keinen akuraten
Spannungsbogen, was für viele Überaschungen
sorgte.
Mittlerweile,
5 Uhr frühs, lichten sich die ersten Wolken-Konturen
am Himmel, und stellenweise bricht der Himmel im
bläulichen Schimmer aus der Dunkelheit der Nacht
hervor. Das Areal wird überschaubarer, die
gezeichneten Gesichter der Antwesenden lassen tiefer
blicken. Unverkennbar war die Spannung vor dem
nächsten Act-Auftritt. Das "Change Over" wurde umso
deutlicher wahrgenommen, da es keinen "fliegenden
Wechsel" von Live Set zu DJ Set gab.
Also,
Manege frei für den Briten James
Holden! Es sollte mein beste Feierzeit bis
dato in diesem Jahr werden, und eine meiner
größten Bewusstseinerweiterungen
elektronischer Musik überhaupt. Ich hole weiter aus:
Das schöne an elektronischer Musik ist die Tatsache,
dass man sich nicht an stilistische Abrenzungen
orientieren braucht, diese auch ganz und gar benennen
muss (Worte Wolfgang Voigt´s). Davon abgeleitet: Man
kann immer wieder in seinem persönlichen
Musikverständnis überrascht werden.
Elektronische
Musik funktioniert nahezug an jedem Ort, man kann sie
überall hören. Gute elektronische Musik ist auf
keine großen Namen angewiesen, sie funktioniert
auch aus "kleinen Händen". Abschließend: Das
Erleben von elektronischer Musik (wie Musik allgemein
natürlich) ist abhängig von einer Vielzahl von
Faktoren, die immer unterschiedlich zueinander im
Verhältnis stehen.
WENN
DANN die wichtigsten Faktoren eines Tages zusammenfallen,
DU DICH zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit der
richtigen Stimmung befindest, dann passiert etwas, du
erlebst etwas
Das merkst du aber nicht sofort, am
meisten realisierst du es erst danach, wenn es vobei
ist.
Der
Act Samstag früh, den 31.08.2010, von 05:00 bis gut
08:00 Uhr, ist nun vorbei, aber immernoch schwelge ich
tief in Erinnerungen. James Holden
hat eine Art von elektr. Musik zum Besten gegeben, was
ich in dieser Form so noch nie gehört habe! Da ich
einer Fachsprache - leider - noch nicht mächtig bin
und außerdem diesen Text hier für den Laien
verständlich halten möchte, drücke ich
mich ganz plump aus:
James
Holden schafft es wie kein anderer, Musik aus ganz
unterschiedlichen Musikgenres so ineinander zu vermixen,
dass diese zueinander einen Fluss - Sinn! - ergeben, was
man im Vorraus nie für möglich gehalten
hätte. Selten hört man so ausgedehnte,
weitreichende Übergänge von Track zu Track, man
nimmt den Übergang stellenweise fast nicht mehr
wahr. Die Stücke werden zudem noch durch
Effektspielchen an Controllern entfremdet, ausserirdische
Samples verschleiern die eigentlichen Tonspuren.
Mit
diesem grundlegenden System des Setaufbaus und Auflegens
schafft Holden es, ganz besondere Höhepunkte zu
kreieren. Höhepunkte, die man oft sofort wahrnimmt,
genauso oft aber auch erst währenddessen - oder,
ganz und gar danach. James Holden bringt den
Electro-Clash-Anhänger genauso wie den
"Hooligan-Disco"-Verehrer (Ed Banger Sound, Petro
Winter
), Trance-Träumer oder eben den
Berliner-Techno-Jungen auf den Dancefloor. Alles
fließt zusammen.
Dieser
Fluss an ständigen Stimmungswechseln, wobei die
Grundstimmung - im Border-Community-Zirkel allgemein -
harmonisch, positiv angehaucht ist -, entladenden
Emotionen und Überraschungen - Aha-Effekte - machen
den Holden Sound zu etwas ganz besonderem. Man
möchte schon fast meinen, in James Kopf funktioniert
was nicht mehr richtig (man beachte die Gesichtszüge
James Holdens). So überdreht, teilweise verwirrt,
schwammig, andersartig hört sich sein Sound
an.
Ich
könnte länger so weitermachen, es muss aber
genauso Platz noch für andere
Künstler-Erwähnungen eingeräumt werden.
Ich lege euch zum Abschluss dieses Kapitels noch folgende
"Sound-Publikationen" (i-wann geht das ganze über
Musik hinaus und wird zu einer Wissenschaft) ans Herz:
"Balance 05", "At The Controls" und ganz aktuell: "Dj
Kicks". Die besten Mixes der Welt? In Fachkreisen munkelt
man darüber
Dieser
gesamte positive Vibe, Glückseligkeit und enorme
Happiness (nicht nur bei mir), muss mal zum Ende kommen.
Um halb 9 beendeten wir den Kopf-Zirkus, und zogen den
Schlaf vor. Das Nachtdigital-Event hat sich jetzt schon
gelohnt.
..."