[anm.d.red.:
1. Bild, das; -[e]s, -er [mhd. bilde = bild,
gestalt, ahd. bilidi = nachbildung, abbild; gestalt,
gebilde
2. bei szenemag für gewöhnlich ohne
nachbearbeitung in "reinform". keine verwendung von farb-
oder sonstigen filtern, keine manipulation, what you
see is what you get! evtl. zu sehende verformungen
und lichteffekte entstehen ausschließlich auf grund
der gegebenheiten vor ort sowie ggf. unter verwendung
eines konventionellen fotoblitzes.
3. die umrandeten fotos sind mit
groß-formaten hinterlegt. auf wunsch
mailen
wir euch auch gerne die
original-größen.]
the last
melt!´s @ www.szenemag.de - picked out of our
archive
christian
h. hat dieses jahr einen straffen zeitplan und immer
die digi-camera dabei! gut so! vielen dank für
soviel arbeitseinsatz für ruhm & ehre! hier
seine sicht aufs melt-festival...
"...
im wollig-warm umschmeichelnden Groove-Teppich
längst von Kopf bis Fuß eingehüllt,
entschloss ich mich, die Big Wheel Stage - in Sachen
"Elektronikmusik in Reinkultur" - wohl die beste Auswahl
an Stage, die es in unserem kollektivem
Wochenend-Delirium zu finden gab - nicht zu verlassen.
Isoleé
war an der Reihe, er und - WIR - standen mitten im
Epizentrum dieses erhabenen Ortes. Ein Ort, welcher seit
Stunden eine spirituelle Balsamierung in Form von
Dial´sche Minimalkost (Pawel,
Lawrence ("Until Then Goodbye",
2009), John Roberts (Glass Eights,
2010)
.) mit letztendlich den beiden vorangegangenen
Acts - Redshape bzw. "Palisade" und
den Karlsruhern Amé - und
sommerlichen Abendrot-Romantik wie im Bilderbuch
erfährt.
Es
gab beim besten Willen keinen Grund diesen emotional
aufgeladenen - RAUM - zu verlassen. Aber die Entscheidung
fiel gewiss mühseliger aus, wenn der Faible für
Indierock etwas stärker ausgeprägt war:
"The Streets" bestritten in diesen
Minuten gerade ihren Auftritt auf der Bench Main Stage.
Wohl DIE Headliner des gesamten Festivals. Aber eben zum
Glück nicht für mich, so konnte ich mit
leichteren Gewissen die Stellung vor Isolee halten. Zu
betonen: Physisch. Psychisch sollte man sich schon leicht
ins "Jenseits" gerückt haben, so "qualitativ
wertvoll" wie die Big Wheel Stage war dieser Sound des
Wahl-Hamburgers Isoleé.
Und
obwohl "vordergründig" nicht die Welt von der Empore
der Stahl-Gerüst-Bühne uns entgegenschallte,
rabaukte und pollterte es in den Tiefen ungemein. Unter
der Oberfläche eines seichten Beat-Netzes sollte es
für den Kenner keine großen Anstrengungen
bedeutet haben, den Mehrwert solcher Musik für sich
herauszufiltern. Unterschwellig, auf introvertierte Weise
in den Dialog mit dem Publikum treten, dass ist eine
wahre Kunst. Wenn dieser Genius wie in diesem Fall
aufgeht, zeugt das von nicht weniger als
Souveränität, künstlerischem Anspruch,
Fortschrittsgeist.
Wenn
dann über die gesamte Dauer eines gewöhnlichen
Techno-Tracks das Setup die Grätsche bekommt und das
Lied wie im Leierkasten vor sich hin kriecht, tut das
nichts zur Sache bei. Im Gegenteil spricht dies nur
für die Authentitzität des Künstlers, denn
nichts ist perfekt. Isolee at it´s best.
"Quality
knows no genre" - das dachte sich wohl auch Stefan
Kodzalla alias DJ Koze, und
verpasste der ohnehin schon besonderen Athmosphäre
einen ordentlichen Schub nach oben. Ehe man sich
verHÖRTE, war man schon wieder im Beatgestrick - nun
forscher, genreübergreifender (dub, rave, hiphop)
und technoider - gefangen, so dass man die potentielle
Überlegung - Stage verlassen: JA/NEIN? - mit
Leichtigkeit "übertanzen" konnte. Und dank der
unnachahmlichen Spürnase Koze mit der Erfahrung um
den rechten Zeitpunkt eines Klassikers, war man
spätestens mit dem Track "Small Pebbled Forrest" von
Fesse Somfay ("The Sound of the 7th Season" lässt
grüßen, 2005) gnadenlos verloren Rave-Irrsinn.
Ein
Blick auf den Timetable sollte dann doch für
Mageverstimmung sorgen: Habe ich denn nicht gerade
"Sbtrkt" auf der "Melt! Selektor - Stage" verpasst?!
*SCHLUCK* Von renommierten Printmedien in aller Munde und
mit seinem aktuellen, gleichnamigen Album hoch umfeiert,
sahen sicherlich viele diesem Act entgegen. Es sollte
für jedermann Ansporn genug sein, im Vorfeld zu
lesen, diese LP sei vergleichbar und ggf. noch höher
zu bewerten als das letztjährige Album "Swim" von
Caribou!
Diesen
dub-getränkten Elektronik-Pop mit Disko-Note,
wofür der recht junge Mann im Bizz steht, hatte man
sich sicherlich noch im Verlauf des Wochenendes an
anderer Stelle hören können. Auswahl gab es
genug. Und das ist eben gerade das fürchterliche
Problem. Nun wieder die Qual der Wahl:
Rusko oder Atari Teenage
Riot?! Nehmen wir Rusko mit, wenn auch nur
ansatzweise. Im Punk-Metall-Rave-Sirenen-Gewitter
wäre es ohnehin unmöglich gewesen,
vernünftige Bilder von Alec Empire und seinem neu
formierten Clan zu knipsen. Ich redete es mir ein
(diese Band übrigens das genaue Gegenteil von
"unterschwellige Message-Bekundung" in der
Musik)
Rusko.
Das heißt: Wuchtiger Electro mit maximaler
Rave-Wirkung. So wuchtig, dass es scheint, die
tieffrequenzigen Basswellen schlagen die
dicht-versammelte Meute auf der Melt!-Selektor-Stage so
weit gen Ferne, dass an oberster Bar des Hügels -
ca. 50Meter der Bühne entfernt - vor lauter
elektrisierenden Menschen kein Durchkommen mehr ist. Ja,
es sei dem Minimal-Verfechter genehmigt: Kinnlade fallen
lassen und staunen. Es geht auch anders. Und
wie!
Der
Engländer Chris Mercer (mit
Universitätsabschluss (!)) spielte 2006 mit Caspa
ein Live-Set ein, zu Gunsten keiner geringeren Mix-Compi
als die ehrwürdige Fabric-Serie. Nach der
Veröffentlichung dieser (Fabric Live 37), geht es
für den Briten steil nach oben. Im vergangenen Jahr
kam sein Debutalbum "O.M.G.!" heraus, allerdings nicht
auf einem britischen Label, sondern bei Mad Season, dem
Imprint des in Philadelphia ansässigen Produzenten
Diplo.
Wohl
wenige Acts mit solch einem impulsiven, energetischem
Ganzkörpereinsatz gab es auf dem Melt!-Festival zu
bestaunen. Rusko besiegelt entgültig den hohen
Anspruch an Künstlerangebot mit Qualitätssiegel
der Melt! - Selektor - Stage. Ein Hoch auf
Modeselektor, die sich u.a. für
das Booking verantwortlich zeichnen und die nach Siriusmo
("Mosaik", 2011) den ganzen Wahnsinn zum Ende brachten.
Und schon wieder ein bitterer Beigeschmack für mich,
denn dies bekam ich ebenso wenig mit.
Nach
Rusko machte sich in mir die Laune nach geschmeidigen,
linearen Groove breit (die "Four-to-the-floor -
Bestimmung schlummert tief
). Schwindelig vom
Rave-Feuerwerk zog es mich auf einen der wohl
schönsten, "underground"-affinen Stages
überhaupt: Dem Sleepless Floor. Wie der Name schon
sagt, der einzige Ort, der ab Samstag Morgens bis Montag
Mittag die Party fliegen lässt. Diese Lokation bot
Labelshowcases in Hülle und Fülle, zu jener
Zeit - Sonntag morgen um 02:00 Uhr (erst
) hielten
die Stroboscopic Artefacts - Heads
das heilige Zepter bzw. heiligen Controller in der Hand.
Man
mag es evtl. erahnen (in Anbetracht ausschweifender
Kummulation von Verherrlichungen und
Superlativ-Ausschmückungen der letzten
Absätze), aber wenn es doch so ist: Was sich mir
gegen 03:00 Uhr Samstags auf dem Sleepless - Floor bot,
war "überrationaler" Techno. Techno, welcher ich in
dieser speziellen Ausprägung noch nie (!) zu
hören bekam. Ja, ich bin selbst auch
überrascht, wie man doch immer und immer wieder mit
neuheitlicher Musik vor den Kopf gestoßen werden
kann.
Stroboscopic
Artefacts . Frisch geboren in der Mutterstadt des Technos
- Berlin - von Luca Mortellaro alias "Lucy" ("Wordplay
for Working Bees", 2011), gehört es in heutigen
Zeiten zu den stilprägensten Berliner Labels,
straigthem Technos. Dieses Imprint bestätigt um ein
mehrfaches die erlesene Auswahl des Bookings für
hiesige Stage.
Ja
nun, wie soll ich es formulieren?
Dadub - ein
2-Mann-Künstler-Kollektiv - meiselten behutsam aus
ihren Live-Controllern eine Klangwelt heraus, in die es
einzutauchen galt mit der Hoffung, aus dieser nie mehr
entschwinden zu müssen. Kollosale, ätherische
Soundscapes umhüllten kontinuierlich die ohnehin
schon entrückte Örtlichkeit - ein tristes,
verfallenes Beton-Gebäude im puren Mondschein, deren
raue Oberfläche staffiert durch die
Wolken-Shiluetten am glasklaren Nachthimmel -, es dauerte
nicht lang, so schwebte man auf den scheinbar endlosen
Bahnen, welche das Bassgerüst mit eingebetteten
Hall-Flächen zu bilden vermochte. Zum Mond hin und
wieder zurück. Zur Bench Main Stage hin und wieder
zurück. Wenn man wollte, war man überall. Der
Fantasie ist keine Grenzen gesetzt. Willkommen inmitten
des TECHNO, inmitten genau DEM Gefühlszustand,
welcher es gilt, auf jeder Techno-Party der Welt für
sich zu finden.
Die
unzähligen, geometrischen wie organischen Konturen
mit den sich fortwährend ausdehnenden Raum der
Fiktionen beseelte den Sleepless Flour bis in die
frühen Morgenstunden. Für meine
persönliche Komplettierung meines Samstag
Spätnachmittag/Abend/Nacht/Sonntag-Nacht/Morgens-Mammutprogramm
zog ich es jedoch vor, gegen 4 Uhr die Stage zu switchen.
Zurück zu den Anfängen, zur Stage unter dem
Big-Whell-Braunkohlebaggers (wobei sich das Wort "Bagger"
im Falles des Melt! zu kindergartenhaft
anhört
).
Als
ob sich unter den Feiernden nicht schon genug Verwirrung
im Verlauf der Nacht breit machte, musste die Mannen um
Kompakt-Mastermind Wolfgang Voigt noch eins drauf setzen:
Michael Mayer ("Immer I", "Immer
II", "Immer III"), Superpitcher
("Kilimanjaro", 2010 - debug: "Kilimanjaro ist voll von
verschmitzen Popideen, die konsquent auf 8-Minuten-Epik
gestreckt werden" (mir ist grad wieder warm ums
Herz
)) und Tobias Thomas -
firmierend unter dem Banner "Total Confusion" setzten mit
ihrem ganz eigenen Verständnis des Cologne-Sounds
den finalen Schlusspunkt einer langen
Partynacht.
Ich
denke ich erspare mir die Worte, den Hergang jener
letzten 3 Stunden kann man sich an 5 Fingern
abzählen. Allen voran unter Berücksichtigung
des Aspekts der aufgehenden Sonne in den frühen
Morgenstunden (auch wenn sie letztendlich leider
ausblieb
), was stets einen sicheren Mehrwert
für eine Feierei bedeutet. Kompakte Musik, Kompakte
Stimmung, Kompakte Atmosphäre. Danke Kompakt!
Eine
Nacht haben wir Review passieren lassen. Der ganz normale
Wahnsinn des alljährlichen MELT!-Festivals in
Ferropolis bei Gräfenhainichen, Dessau. Kaum sind
die Spuren des Sputnik verwischt, durchziehen kurz darauf
noch größere die weiten Wiesenflächen vor
der ehemaligen Braunkohle-Tagebauwerk Ferropolis, wenn
25000 Menschen (davon gefühlt > 12500 Menschen
aus Holland!) ihre Zelte aufschlagen.
Die
Kulisse mit den Stahl-Relikten vergangener Zeiten, ruhend
auf der topografisch-differierenden-Halbinsel Ferropolis
("Die Stadt (!) aus Eisen") umgeben vom satten Blau des
Gremminer Sees, bilden eine Festival-Szenerie wie sie
erleuchtender (besonders Nachts, wenn so ziemlich alle
Ecken und Kanten des Geländes mit
ausgeklügelter Lichttechnik illuminiert
werden
) und ansprechender kaum sein könnte.
Zusammen mit anderen Aspekten wie Line-Up, Publikum,
Organisation, Politik usw. ist es nicht verwunderlich,
dass das Melt! schon mit einigen Awards ausgezeichnet
wurde (z.B. "Live Entertainment Award" als "Bestes
Festival 2009").
Aus
meiner persönlichen Sicht bzw.
"Debüt-Rezension" kann ich behaupten, eines der am
besten organisierten Festivals mit ambitioniertestem
Line-Up zwischen Indie, Elektro, Punk, Elektronika,
Pop/Rock, Minimal, Ambient, Dubstep, Drum & Bass, New
Rave und alle dazugehörigen Sub-Sparten erlebt zu
haben. Pop verschmilzt mit Subkultur und Gitarrenriffs
erweitern Techno-Beats, eine gewinnbringene Symbiose,
keine negierende (welche Deutung ich lange Zeit selbst
vertrat
)!
Ferropolis
wird für mehrere Tage zum Mikrokosmos, ein
Mikrokosmos auf einem anderen Planeten. Ausserirdisch,
wenn die Stahlgiganten in ein Meer aus Licht tauchen,
verschiedenste Melodien das klug-separierte Areal
erfüllen, der Rhythmus omnipräsent pulsiert,
strahlende Gesichter die Welt beehren. Jene Begebenheiten
auf der Insel mit den unzähligen, tausenden
Anektoden auf dem Zeltplatz und Umgebung - eben all die
Crazyness eines gewöhnlichen Mehr-Tages-Festival -
bescheren vielen Besuchern die schönste Zeit im
Jahr.
Zum
Reflektieren und "Klug-werden" zusammengefasst ein paar
Auszüge meinerseits:
-
Freitag Abend, 22:30 Uhr: Apparat
mit seiner Band auf der Melt!-Selektor-Stage. Zu
hören: Sayulita - live versteht sich. Später
dann: Rusty Nails mit vorangegangener Danksagung, ihren
Act im Jahre 2011 bei guten Wetter geben zu können
(erinnere: 2009 Moderat-Gig-Absage aufgrund Unwetter).
-
Darauf folgend: Gold Panda. Ohne
Worte. Plz. check WWW.
-
Den Stimmen nach zu urteilen war Nicolas
Jaar am frühen Freitag Abend ein Gewinner
der ersten Nacht auf dieser Stage.
-
Abermals Big Wheel Stage: Radio
Slave Vs. Carl Craig,
darauf folgend: Gui Boratto. Der
allg. Meinungsäußerung schlussfolgernd
dürfte letztgenannter Act neben Boys Noize den
Höhepunkt der ersten Nacht des gesamten Festivals
dargestellt haben.
-
Auch erhaben: Tensnake im Gemini
Stage - eine der wenigen überdachten Stages auf dem
Gelände. Gar nicht auszudenken mit den ersten
Sonnenstrahlen des Tages ein "Coma Cat" o. ä. von
diesem Disco-Junkie zu hören
-
Der Uncanny Valley - Label-"Morning"
Samstag Vormittag bei strahlendem Sonnenschein und vollem
Sleepless-Floor. Den Groove im Blut, Disko in den Adern
und House in der Seele, Dresdner "House"-Manier in
Perfektion!
-
Ostgut-Ton-Heerschar mit Marcel
Fengler, Barker &
Baumecker live, Ben Klock
und Marcel Dettmann auf der Big
Wheel Stage.
-
Supplement-Artefacts-Taktgeber Guy
Gerber mit Minus-Kopf Richie
Hawtin, welcher in einem Finale furioso das
offizielle Programm der 14. Austragung des Melt!-Festials
ein Ende brachte. Die Stimmung im Publikum unermesslich
groß, das Melt!-Feeling ungebrochen. Wie
würdet ihr euch fühlen, inmitten eines
Loop-Techno-Sets eine unheimliche Stille auf dem
Gelände erleben zu müssen, mit dem Track "Ashes
from Evermore" von Gregg Kowalsky im Alva Noto - Mix
(Balance 016 von Agoria lässt grüßen)?
Gänsehaut.
-
und nicht zu vergessen: Die letzten beiden Stunden Montag
Morgen mit Kiki und "Kuriose
Naturale" auf dem Sleepless-Foor. Blasen an den
Füßen, Dreck unter den Nägeln,
Schweiß auf der Stirn, Müdigkeit im Gesicht
und: Opulente Bewusststeinsveränderungen in der
Techno-Musik und allergrößte Befriedigung in
den entlegensten Winkeln unserer Seele. Danke MELT!!
..."