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rave strikes back: 25 jahre house & techno in jena

kassablanca - jena

02.10.2016

[anm.d.red.:
1. Bild, das; -[e]s, -er [mhd. bilde = bild, gestalt, ahd. bilidi = nachbildung, abbild; gestalt, gebilde

2. bei szenemag für gewöhnlich ohne nachbearbeitung in "reinform". keine verwendung von farb- oder sonstigen filtern, keine manipulation, what you see is what you get! evtl. zu sehende verformungen und lichteffekte entstehen ausschließlich auf grund der gegebenheiten vor ort sowie ggf. unter verwendung eines konventionellen fotoblitzes.

3. manche fotos sind mit groß-formaten hinterlegt. auf wunsch mailen wir euch auch gerne die original-größen.]

kassablanca impressions taken from our archive:
kassablanca

jena
since 1990

28.01.2000

steve bug...

17.11.2000

robert hood...

15.12.2000

claude young...

23.02.2001

t-1000...

12.05.2001

godfather...


13.06.2001

matthew herbert &
dani siziliano...

22.03.2002

cora s., mikk,
robert cutter...

20.09.2002

jori hulkkonen,
wighnomys...

30.10.2002

louie austen,
wighnomys...

21.12.2002

koze,
krause duo


22.08.2003

reiko seefeldt,
lowtec...

07.11.2003

storm,
real...

13.12.2003

jazzanova...


17.03.2004

miss kittin,
wighnomy bros

04.08.2004

krause duo nr 2


01.09.2004

dinky,
tobi neumann

19.11.2004

steve bug,
...

21.01.2005

ada,
treplec

28.01.2005

storm,
real, apo33

08.04.2005

egoexpress,
koze...


19.05.2006

bruno pronsato,
...

27.12.2006

wighnomy bros.


18.05.2007

daniel stefanik,
mathias kaden...

27.12.2007

wighnomy bros.


23.03.2008

marcus intalex,
real...


30.05.2008

sascha funke,
douglas greed...

11.07.2009

stereofysh,
ana...

21.10.2009

áme, monkey
maffia

12.11.2010

william kouam
djoko, vera...

26.01.2011

johannes moses,
mbeck...


15.04.2011

guillaume & the
coutu dumonts,
...

23.09.2011

steve bug,
jacob korn,
...

11.11.2011

lawrence, steffen
bennemann,
...

09.12.2011

marek hemmann,
chris manura,
...

28.09.2012

mathias kaden,
dario & marco,
zenker...


27.11.2013

steffen
bennemann...


tag-der-deutschen-einheit-wochenende tag 2 und nachdem wir gestern den sogenannten "westen" feature´ten, gehts heute passenderweise in den sogenannten "osten".

dort feierte man heute noch was ganz anders, nämlich 25 jahre house & techno in jena. dirk fochler war es, der vor 25 jahren erstmalig eine techno-party hier in jena ins leben rief. ob dafür viel überzeugungskraft notwendig war, wissen wir nicht, aber auf jedenfall ließ sich das kassablanca drauf ein. in den darauf folgenden jahren hatten techno, house, drum´n bass und andere formen neuerlicher elektronischer musik im kassa eine verlässliche und bis heute währende heimat.

das eine, die wende und das andere, house/techno, lässt sich schlecht voneinander trennen. zumindest ist es schwer vorstellbar, dass die entwicklung dieser mittlerweile weltumspannenden musik die gleiche richtung genommen hätte, wäre der eiserne vorhang nicht gefallen.

auf der anderen seite, wer weiß...

vielleicht wäre die welle ohne die wende schlicht in eine andere geographische richtung geschwappt und zeitverzögert dann auch in ostdeutschland, thüringen, jena angekommen? ähnlich wie rock-n-roll platten, die erst auf dem schwarzmarkt und später dann offiziell über die ddr-eigene plattenfirma amiga ihren weg in die ddr fanden. natürlich nur, sofern die (gesprochene) botschaft auf den platten (ggf. auch dem plattencover) die zensur des regimes bestand. und da auf house & techno platten eher wenig bis nicht gesprochen wird und selbst wenn, dann eher politisch wenig konkretes, hätte das eigentlich klappen müssen.

nein, wir wünschen uns jetzt nicht die mauer zurück. aber so stolz wir auch auf den maßgeblichen einfluss deutscher djs, produzenten, clubs usw. sind, wagen wir einmal die these, dass diese großartige jugendkultur "bigger than germany" ist und ihren weg wohl auch ohne die wende gefunden hätte.

bevor wir jetzt fiktiv weiter durchspielen, was das ausbleiben der wende für städte wie dortmund, saarbrücken, kassel, bremerhaven & co. (genügend industriellen leerstand gibts dort jeweils - ähnlich wie einst in berlin - schließlich auch...) bedeutet hätte, kommen wir wieder ins hier und jetzt.

denn um wieder konkret zu werden, hätte es viel von dem heute abend ohne die wende definitiv nicht gegeben. zum beispiel kein freude-am-tanzen label hier aus jena, sicherlich keine party-websites wie rave-strikes-back oder szenemag auf denen man frei seine meinung äußern und nach belieben vervielfältigen kann, keine bequemen autos mit denen man mal eben nachts 100km fahrt bewerkstelligt usw.

havanna rum (nur eben mit club- anstatt coca-cola), wodka (nur eben tendenziell ohne orange, also eher lemon), pfeffi-schnaps, dj jauche (der ist aus ost-berlin... hehe) hätte es jedoch alles theoretisch auch ohne wende geben können :)

aber wir schweifen schon wieder ab... (erinnert uns dran, dass ganze nochmal in roman-form ausführlicher zu beleuchten).

dirk fochler aka dj foch war es also, der kurz nach der wende 1990 so angefixt von dem neuen sound war, dass er die kassablanca-betreiber zu einer ersten techno-/house-party in jena überreden konnte. dirk ist somit eine art juan atkins (den geschichtsbüchern nach einer der detroiter begründer von techno) von jena und initial für alles, was danach kommt.

ehrensache, dass dj foch (zusammen mit mulé) auch heute abend spielte. wer - so wie wir - schon etwas älter ist, kann sich an dj foch´s sets in unzähligen anderen clubs thüringens & umgebung erinnern. ganz konkret z.b. in der muna, nicht weit von hier in bad klosterlausnitz. auch heute könnt ihr ihn noch hören, z.b. in unregelmäßigen abständen bei der reihe classic club, die beim letzten date hier in jena´s theatercafé residierte.

so richtig ins geschehen eingestiegen sind wir heute abend gegen 0uhr. da war das kassa schon sehr gut gefüllt. ob das jetzt daran lag, dass mehr älteres publikum zu gegen war (nicht vergessen, 25 jahre...) oder ob sich in jena das weggeh-verhalten geändert hat seit unserem letzten besuch (immerhin schon 3 jahre her...), wir wissens nicht. stimmungstechnisch jedenfalls waren alle bereits guter dinge, was mich an die textzeile aus dem heute gut passenden robert owens song "back in the days" erinnert: "... we had no problems getting it on...".

passend zum anlass war das kassa auch ein wenig "rave-mäßig" dekoriert, mit schön abgehangener tarn-netz-dekoration über der tanzfläche.

ansonsten haben sich die guten rahmenbedingungen im kassa - gott sei dank - bis heute gehalten. nettes personal, erschwingliche preis-politik (insbesondere weiterhin bei den getränken - also trotz wende doch noch ein wenig sozialismus...), buntgemischtes publikum... schön, freut uns!

dass sowohl sound-, als auch lichtanlage zur veranstaltung paßten, erklärt sich fast von selbst. auch ein stroboskop war gedacht.

mijk van dijk übernahm dann als erster gast mit seinem großen live-fuhrpark gegen 1.30uhr das geschehen. ihn hätte es ohne wende hier in jena vermutlich nicht gegeben, denn wie wir beim nachlesen seiner biographie herausfanden, stammte er ursprünglich "aus dem westen", soltau (jups, heidepark und so) in norddeutschland um genau zu sein.

davon mal ab zog es ihn jedoch sehr früh nach berlin und sein name ist bis heute noch wohlbekannt. beim überfliegen seiner biographie wird uns nochmal bewusst, wie alt wir und diese "jugendbewegung techno/house" mittlerweile sind... hier ein paar stichwörter:

- zusammenarbeit mit cosmic baby und einer compilation namens "tranceformed from beyond" (weswegen man den begriff "trance" ein stück weit auch darauf zurückführt)
- mit
marco lopez (übrigens auch für eine wirklich sehr gute radio-sendung auf dt64 seinerzeit sehr bekannt) gründete mijk marmion
-
mit marmion wiederum gabs einige unkaputtbare klassiker wie "schöneberg", "firechild"...
- diverse andere kollaborationen mit hell, rok, tanith, claude young, namito, martin eyerer...
- remixes für moby, gto, humate, frankie bones...
- eigenes label namens "nufunk files"
- projekt "microglobe"
- journalist für frontpage und andere magazine...
- mit tanith zusammen projekt "loopzone"
- mit jürgen laarmann (frontpage-herausgeber) das label "bash records" gegründet
- später dann zum label MFS gewechselt
- filmmusik komponiert
- durch japan, australien getourt
- einen song zu einem werbespot eines renault meganes beigesteuert (das musste erwähnt werden, denn wir sind heute mit einem renault unterwegs)
- klaus kinski sample projekt
- mit dj hell modeschauen von joop, michael michalsky produziert
- interview 2008 für "we call it techno" geführt
- 2010 auf seine wurzeln vor der großen techno/housewelle berufen und sich verstärkt dem funk (also die musikrichtung) gewidmet, bis im grunde heute unter "mijkfunk" oder in der gruppe "the chaenge"

woran merkt man dann definitiv, dass man alt ist?

wenn man mit all den fakten und namen oben ohne weiteres etwas anzufangen weiß. wenn man versucht ist, sofort in eine irgendwo in einem schrank oder einem extra-zimmer weit hinten verborgene große cd-/vinyl-sammlung zu greifen und sie nochmal revue passieren zu lassen, diese zeit mit (und das sind jetzt unsere persönlichen anknüpfpunkte) den logic-trance-compilations, selbst aufgenommenen mixtapes von dt64, später mdr sputnik, hr3 clubnight, alte frontpage- und groove-zeitschriften wieder rauszuholen (ihr habt eure doch wohl hoffentlich nicht entsorgt???), dvds wie z.b. "trainspotting" mal wieder zu schauen und so weiter und so weiter und so weiter.

bei seinem live-set heute hatte mijk sichtlich spass und schraubte fleißig an knöpfen, reglern sowie haute in die tasten. denn wie als wolle er ein statement setzen, war sein live-setup optisch nicht auf einen laptop ausgerichtet, was es schon vom hinsehen sehr spannend machte.

teilweise streute er auch noch ein paar live-vocals/lyrics mit ein und im großen & ganzen wars ziemlich zeitlos, was wir zu gehör bekamen sowie durchgehend tanzbar.

im grund war der abend heute ein klassischer kassablanca-abend. warmup-dj, liveact und dann zum ausklang ein gast-dj. eine erfolgsformel, wie wir sie hier schon oft genossen haben, sei es bei den (leider vor einigen jahren von ihm selbst eingestellten) "klanglauf" parties von mathias kaden, den "ueberschall" abenden mit drum´n´bass aus aller welt (marcus intalex, storm...), die "schöne freiheit" immer mittwochs (übrigens durchaus auch mal mit djs vom kaliber einer miss kittin), freude-am-tanzen-jahresabschlüssen usw. usw. usw.!

alles nachzulesen in o.g. archive-datenbank und das einzige, was wir daran wirklich bedauern ist, dass wir erst ab jahr 2000 mit unseren (szenemag-) reisen nach jena begonnen haben.

dj jauche hingegen, ähnlich wir mijk, war von anfang an dabei und stieg - quasi analog dj foch hier in jena - 1990 ins geschehen ein.

westbam stellt in seinem buch "die macht der nacht" ja den (für uns nachvollziehbaren) gedankengang auf, dass west-berlin im grunde eine ansammlung von kriegsdienst-verweigerern, lebenskünstlern und aussteigern jedweger gattung war. diese ohnehin sehr ekstatisch aufgelegte gruppe traf nun auf eine aufgeschlossene und durch den mauerfall euphorisierte, nach leben hungrige ost-jugend.

geboren war dj jauche in ost-berlin, war also schon vor ort "als es losging" mit dem techno und der anschließenden initial-zündung in berlin. gleich nach der wende organisierte er erste eigene parties und war auch einer der residents im legendären "walfisch club".

gebürtig hört jauche auf den namen oliver marquardt. bei wem es bei diesem nachnamen in bezug auf das berliner nachtleben klingelt, liegt richtig - sein bruder ist sven marquardt. dj jauche engagierte seinen bruder auch bei seiner eigenen partyreihe "jauchomatic", was die weitere karriere seines bruders wohl bis heute beeinflusst haben dürfte (aber das ist eine andere geschichte).

interessant fanden wir, dass dj jauche z.b. auch unter dem alias "jack flash" für den edit von "love is in the air" verantwortlich war. auch wenn sich das in der kurz darauf durch milk & sugar produzierten version wohl (leider) nicht weiter finanziell für ihn auswirkte.

ähnlich wie mijk, war auch oliver sehr gefragt in der ein oder anderen dokumentation der "early days" in berlin, so z.b. beim buch "klang der familie" oder auch auf artes doku "tanz auf dem todesstreifen"... ansonsten hat er natürlich auch eigene tracks veröffentlicht unter diversen alias´en, aber auch in form von remixen sowie einem 2016 erschienenen eigenem album.

was sein set heute angeht können wir nur den hut ziehen. er hat - ohne dabei peinlich, plakativ oder zu gewollt daher zu kommen - unzählige klassiker so arrangiert, ineinander gemischt und/oder die passenden remixes/edits herausgesucht, dass daraus ein derartig runder mix entstand, dass der club vor euphorie nur so sprühte.

wir sind uns dabei nichtmal sicher, ob jeder im raum die tracks alle "von früher" kannte oder ggf. erst per shazam feststellte, dass das wohl ältere platten sein müssten. und das kommt noch dazu: er spielte fast ausschließlich platten, technisch natürlich einwandfrei gemixt, was dem ganzen noch eine zusätzliche soundästhetik, vor allen dingen aber auch eine zusätzliche magie verlieh.

wir könnten jetzt alle tracks auflisten, die da so zum tragen kamen, aber es waren einfach zuviele. wichtig ist jedoch, dass alle dabei eine bedeutung hatten irgendwann einmal in den vergangenen jahrzehnten - bis heute! neben den alten klassikern kamen noch ein paar aktuelle tracks zum einsatz, die im grunde nochmal unterstrichen, dass die wirklich guten alten tracks fast 1:1 mit heutigen produktionen mithalten können. so z.b. dj koze´s aktueller "ecstasy" track ("... truth is bitter in the beginning, but sweet in the end...") der sich ohne weiteres gut einfügte.

ihr seht, wir waren und sind es bis jetzt begeistert! entsprechend lang gestaltete sich die nacht und auch gegen 6uhr früh konnte man im kassa noch keinen sonderlichen abrieb beim publikum erkennen - es war immernoch voll und immernoch geladen. so soll es sein!

in diesem sinne danke an dj foch, danke ans kassa, danke an spatz, tino & alle die da gewesen sind! auf die nächsten 25 jahre house & techno in jena und dem rest der welt!

 

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